Prärieherz
Prärie-Reihe: Band 1
Eine schicksalhafte Begegnung führt Abigail am Tiefpunkt ihres bisherigen Lebens in die Arme Jack Cunninghams, eines bekannten Banditenbosses. Nach einer überstürzten Flucht aus dem Bandenversteck mogelt sie sich als Mann verkleidet dorthin zurück und hofft auf das große Geld. Doch das Leben hat andere Pläne mit ihr. Plötzlich ist sie nicht nur in einen Bandenkrieg, sondern auch in einen Kampf um ihr Herz verwickelt.
Verlag: Books on Demand
Genre: Roman (Western)
Sprache: Deutsch
Umfang: 252 Seiten
Erscheinungsdatum: 22.09.2017
ISBN-Nummer: 978-3-744-89461-6
Erhältlich als Taschenbuch und E-Book!
Und viele weitere Onlineshops wie z. B. Thalia, Hugendubel, etc.
Kapitel 1: Armselig
Armselig. Sowas von armselig. Ihr ganzes Leben war ein einziges Fiasko, das an Armseligkeit überhaupt nicht zu übertreffen war!
Den Kopf in die Hände gestützt saß Abigail auf der alten, klapprigen Bank neben dem Eingang zum Bordell. Ihr war egal, dass die Leute sie dort sahen, ihr Ruf war ohnehin ruiniert. Tiefer konnte man nicht sinken.
Soeben hatte sie ihren gefühlt fünfundzwanzigsten Job verloren. Ein letzter, kläglicher Versuch, auf ehrenwerte Weise Geld zu verdienen. Als Aushilfe im Bordell – in der Küche, zum Putzen, und so weiter - war ihr Ansehen in der Stadt bis zum absoluten Nullpunkt gesunken. Derweil war dies ihre bisher beste Arbeitsstelle! Sie hatte wahrlich schon schäbigere Tätigkeiten ausgeübt!
Doch nicht nur ihr Ruf als Frau befand sich auf dem Nullpunkt - auch ihr Geldbeutelinhalt. Was sie verdient hatte, reichte gerade um zu überleben, vom Sparen für schlechte Zeiten - für jetzt - war keine Rede. Doch selbst das war nicht das Schlimmste an ihrer Situation. Viel bedenklicher war, dass sie - sehr zur Tratschfreude der reichen Damen in der Stadt - kostenlos im Bordell hatte schlafen dürfen. Irgendein Plätzchen war immer für sie frei gewesen und in ihrer Lage nahm man, was man bekam.
Wahrscheinlich würde sie nicht so verachtet werden, wenn sie draußen bei den Straßenhunden im Dreck geschlafen hätte. Abigails Familie war schon von Grund auf nicht angesehen, doch im Bordell zu arbeiten, hatte ihrem persönlichen Lebenslauf den Todesstoß versetzt.
Sie starrte auf ihre Stiefelspitzen, die leicht vom Staub der Straße verdreckt waren und ihr langes, braunes Haar fiel nach vorne auf den Stoff ihres beigen Rockes. Abigail seufzte bitter und vergrub das Gesicht in den Händen - diese verfluchten alten Stiefel waren das verdammt Wertvollste, was sie besaß. Sie hatte es schon wahrlich weit gebracht! Doch ihr Sinkflug schien gerade erst richtig Fahrt aufzunehmen. Das Gute an der Sache war: Noch tiefer konnte man nicht fallen. Zumindest das war ihr sicher, wenn schon sonst nichts.
Die Sonne stand immer tiefer und wenn sie nicht bald einen neuen Plan fasste, würde sie hier in absoluter Dunkelheit sitzen. Noch warfen die alten Gebäude lange Schatten und wurden in goldenes Licht getaucht, was eine Ruhe vermittelte, die ihrem Inneren momentan überhaupt nicht glich.
Nun, wie sollte denn ihr Plan aussehen? Was für ein Plan überhaupt? Ein neuer Lebensplan? Der wievielte? Wie oft konnte ein Mensch überhaupt scheitern, bis er endgültig nicht mehr aufstand? Betrachtete sie ihre Situation sachlich, hatte sie im Moment nur diese Bank, auf der sie saß, und selbst die war nicht ihr Eigen. Sie könnte hier schlafen, doch spätestens morgen würde man sie fortjagen und auch wenn sie sich zu verteidigen wusste, war sie stets froh gewesen, während der Abend- und Nachtstunden die meiste Zeit hinter dem Tresen verbracht zu haben. Sobald Alkohol floss, war ein Bordell kein guter Ort für eine Frau, die sich ein letztes Quäntchen ihrer Ehrbarkeit bewahren wollte.
Abby blickte zur Straße hinaus. Johnstown war eine kleine Stadt mit guten einhundert Einwohnern. Es war nicht viel geboten und Abby befürchtete, dass die religiösen Damen mit ihren feinen Kleidern und den schicken Hütchen auf ihren Köpfen diesem Ort auch noch die einzig guten Dinge wegnehmen würden: Das Bordell, den Saloon, jegliche Art von Glücksspiel und auch jegliche Art von Alkohol. Sie hoffe inständig, dass sie diesen Tag nicht persönlich miterleben müssen würde.
Wie zufällig war das Bordell etwas zurückgesetzt gebaut worden - schickte sich nicht mitten auf der Mainstreet - und doch gingen hier die wichtigsten und reichsten Männer aus und ein. Ein weiterer Versuch der anderen Leute ihre Scheinheiligkeit zu bewahren, um die sie selbst sich schon längst keine Gedanken mehr machen musste. Der Zug war abgefahren. Falls sie je heiraten wollte würde sie nicht nur die Stadt, sondern am besten den Staat verlassen müssen, bis sie irgendwo ankam, wo ihr Ruf sie nicht mehr einholen würde. Ha, zur Hölle, sie würde sich eine verdammt große, gute Geschichte ausdenken müssen, um ihre Vergangenheit ausreichend zu überdecken!
„Zum Teufel, verflucht!“, stieß sie abwertend aus.
Sie hatte nichts mehr zu verlieren und im Moment sah es nicht danach aus, als würde ihr demnächst eine zündende Idee kommen. Wenn es jetzt etwas gab, das ihr beim Nachdenken helfen würde, dann nur ein Glas guter alter Whiskey. Das würde sie ihren letzten Groschen kosten, doch das machte ohnehin keinen großartigen Unterschied mehr.
Abigail erhob sich von ihrem Platz auf der Bank und marschierte mit hoch erhobenem Kopf, an musternden Blicken vorbei, über die staubtrockene Straße zum Saloon. Ein Reiter kreuzte ihren Weg, dem einige der angebundenen, wartenden Pferde nachsahen. Das Treiben auf den Straßen, in den Geschäften und Lokalitäten wurde bereits deutlich ruhiger. Eine der wohl letzten Kutschen des Tages rollte scheppernd hinter ihr vorbei, ehe sie selbstsicher den ersten Schritt auf die hölzerne Veranda des Saloons setzte.
Die Menschen konnten ihr alles nehmen, doch eines nicht - ihren Stolz. Wenn sie sich auch schon zu so manch niedriger Arbeit aus reiner Not herabgelassen hatte, genau dieser letzte Rest an Trotz war es, der sie all ihre Jobs gekostet hatte. Die meisten akzeptierten kein „Nein“.
„Nein, ich fahre nicht noch eine Fuhre Erde weg, ich breche sonst zusammen.“
„Nein, ich werde nicht in den Steinbruch gehen und mich zu Tode arbeiten.“
„Nein, ich werde mir nichts als Hure dazuverdienen.“
Letzteres hatte sie zusammen mit ihrer frechen, schlagfertigen Zunge und ihrer explosiven Art den Job im Bordell gekostet.
Die Schwingtüren schlugen hinter ihr auf und zu, als sie den dämmrig beleuchteten Saloon betrat und ungeachtet weiterer musternder und lüsterner Blicke einen Platz am hinteren Ende der Bar einnahm. Neben ein paar Prostituierten war sie hier mit großer Wahrscheinlichkeit die einzige Frau. Und mit absoluter Wahrscheinlichkeit die einzige Frau, die ihren Whiskey selbst bezahlte.
Ein kurzer, halbherziger Blick genügte ihr, um festzustellen, dass der Marshall, der Bürgermeister und der wohl reichste Mann der Stadt, ein übergewichtiger, widerlicher Viehbaron, an einem Tisch saßen. Bekannte Gesichter im Freudenhaus. Dass sie hier an einem Ort vereint waren, tranken und lauthals lachten konnte nur bedeuten, dass sie mal wieder ein wunderbares Geschäft ausgeheckt hatten, das in dieser Stadt genau drei Leuten einen Profit bringen würde…
Der Saloon war, auch wenn er nicht sonderlich nobel eingerichtet war, seit jeher ein Ort des Handschlags und des Lasters. Ein uraltes, verstaubtes Klavier, auf dem wohl seit Jahren niemand mehr gespielt hatte, verkümmerte in einer Ecke. Die dunklen Holzwände und die ebenso dunkle Einrichtung des großen Raumes drückten auf das Gemüt und die wenigen Kerzen sorgten für ein einschläferndes, schwaches Licht. Beides wohl gute Gründe dafür, in diesem Etablissement ausreichend Alkoholisches zu trinken.
Es dauerte nicht lange, da war das erste Glas vernichtet und Abby stellte es zufrieden geräuschvoll auf dem massiven Tresen ab. Sie lugte verstohlen in ihren ledernen Geldbeutel. Für einen würde es noch reichen. Sie ließ auch den Inhalt des zweiten Glases in Sekundenschnelle verschwinden und es dauerte nicht lange, bis sie die Rückmeldung anhand eines leicht schummrigen Gefühls bekam.
Während sie gedankenverloren auf den Boden ihres leeren Glases starrte und Vergleiche zwischen diesem und ihrem Leben zog, registrierte sie kaum, dass sich der Platz neben ihr füllte. Beinahe erschrak sie, als eine tiefe Stimme sie fragte: „Darf ich Ihnen noch einen bestellen?“
Abigail seufzte schwer. Konnte man nicht einmal seine Ruhe haben? „Danke, meinen nächsten Drink kann ich mir gerade noch selbst bezahlen“, schnauzte sie und würdigte den Mann keines Blickes. Er war sowieso nur auf der Suche nach einer Frau für die Nacht und die war gewiss nicht sie.
Langsam sickerte die Bedeutung ihrer Worte zu ihr durch: Nächster Drink? Sie hatte verdammt nochmal kein Geld für einen nächsten Drink! Am liebsten hätte sie nochmal ihren Geldbeutel kontrolliert, doch die Blöße wollte sie sich nicht geben. Verflucht! Wieso musste ihr Mundwerk immer schneller sein als ihr Verstand?
Zähneknirschend bestellte sie ein weiteres Mal Whiskey und lugte verstohlen zu dem zweiten Glas, das der Barkeeper neben ihr auf den Tresen stellte. Ihr neuer Freund trank offensichtlich ebenfalls Whiskey. Zum ersten Mal warf sie ihm einen hoffentlich unbemerkten Blick zu und zuckte beinahe zusammen. Sie hatte einen alten, schmutzigen, bärtigen Mann erwartet, der sie schon allein mit seinen Augen auszog. Stattdessen saß neben ihr ein junger, gutaussehender Mann in sauberen Klamotten.
Verstohlen beobachtete sie ihn weiter. Er saß entspannt da und schien nachdenklich. Er spielte geräuschlos mit dem Glas und drehte es zwischen seinen großen Händen. Seine ärmellose Weste und das feine Hemd gaben ihm beinahe das Aussehen eines Edelmannes. Wäre da nicht ein Hauch Verruchtheit, der ihm anhaftete, hätte sie ihm die Fassade auch fast abgenommen, doch sie war sich sicher, dass dieser Mann Gefahr als Begleitung hatte. Das sagte ihr ihr Bauchgefühl und wenn auch schon alles Andere sie im Leben betrogen hatte - ihre Intuition hatte sie noch nie im Stich gelassen.
Unglücklicherweise hatte Gefahr jedoch schon immer eine hohe Anziehungskraft auf Abigail ausgeübt und wenn sie einen Blick in ihre erwartungsgemäß äußerst düstere Zukunft warf, war dies keine Eigenschaft, die sie besonders weit gebracht hatte. Sie konnte jedoch trotzdem dem Drang nicht widerstehen, ihn beim Leeren ihres dritten Glases weiter zu mustern. Irgendetwas an ihm zog sie in seinen Bann, während alle Warnsysteme in ihr höchste Alarmstufe signalisierten.
Wer war er? Für einen schnöden Kaufmann oder Bankier traten seine muskulösen Oberarme viel zu sehr unter den Hemdsärmeln hervor. Für einen Edelmann war sein Dreitagebart zu ungepflegt und diese verschlug es so gut wie nie nach Johnstown. Für einen Staatsmann fehlte ihm die Plakette - sie konnte keinen Sheriffstern oder dergleichen erkennen. Noch dazu sagte ihr ihr Gefühl, dass sie ihn irgendwoher kannte. Nur woher?
„Darf ich Ihnen jetzt einen ausgeben?“ Er gab wohl nicht auf.
Abby stellte soeben das leere Glas zurück auf den Tresen. Zögern. Sie witterte Gefahr, doch vielleicht war er auch eine Chance? Arm war er keinesfalls und da er sich hier freiwillig mit ihr unterhielt, schien er sich aus ihrem Ruf - der ja allseits bekannt war in der Stadt - nicht viel zu machen. Und da sie sich so sicher war, ihn zu kennen, kam er bestimmt auch nicht von außerhalb, er musste also Bescheid wissen. Oder vielleicht nicht? Wenn nicht, dann könnte sich für sie hier tatsächlich eine Möglichkeit auftun, ihrer aussichtslosen Situation zu entfliehen. Was hatte sie schon zu verlieren? Einen Versuch war es wert.
„Einen“, sagte sie mit warnendem Unterton.
Schmunzelte er?
Der Barkeeper brachte ihnen zwei neue Gläser und der Fremde hob ihr seines dezent entgegen. Vorsichtig, als könnte eine Schlange hervorfahren und nach ihr schnappen, ließ sie die Gläser aneinander klirren und beäugte ihn dabei misstrauisch.
„Ich beiße nicht“, sagte er mit einem schiefen Lächeln.
„Aber ich“, entgegnete Abby mit einem vielsagenden Blick, den er problemlos entgegnete. Hoppla, jetzt war sie sich plötzlich nicht mehr so sicher, ob er sie nicht doch hinter diesen wunderschönen, fast schwarzen, Augen ihrer Klamotten entledigte. Sie senkte den Blick auf ihr halbvolles Glas. Eins war sicher - dieser Kerl hinderte sie am Nachdenken. Wenn er also nicht die Lösung ihrer Probleme war, musste sie ihn schnellstmöglich loswerden.
„Na, fragen Sie schon!“
„Was denn?“ Erstaunt sah sie ihn an.
„Ihnen liegt doch etwas auf der Zunge. Fragen Sie!“
Abermals beäugte sie ihn misstrauisch. Ob er Gedanken lesen konnte? „Wer sind Sie?“
Er lachte: „Ist mein Erscheinungsbild so verstörend?“
Oh nein, verstörend ist es ganz und gar nicht, dachte sie und rügte sich sogleich für ihre Gedanken. Sie zwang sich, den Blick von seinem breiten, markanten Kiefer und dem vollen, dunkelbraunen Haar abzuwenden und nahm ihn mit ihrem scharfen Blick ins Visier: „Sie sind kein Bankier, diese Männer sind sogar zu schwach oder zu fett ihr Pferd selbst zu satteln. Einer von den Reichen aus Europa, die hier seit kurzem immer öfter auftauchen, sind Sie aber auch nicht, die rasieren ihre Wangen, bis sie aussehen wie Babypopos. Zum Sheriff fehlt Ihnen der Stern.“
Jetzt war er es, der sie plötzlich mit äußerst wachem Blick betrachtete: „Sie scheinen einen scharfen Verstand zu haben, junge Lady. Und eine hervorragende Beobachtungsgabe obendrein. In der Tat, Sie haben vollkommen Recht. Ich bin nichts von alledem.“
Da er das Geheimnis offensichtlich nicht vorhatte zu lüften, hakte sie abermals nach: „Also, wer sind Sie?“
Er lehnte sich leicht zu ihr hinüber und seine Nähe sandte ihr ein ungewolltes Prickeln über den Körper: „Ich bin mir sicher, Sie finden es selbst raus.“
„Muss ja was Schlimmes sein“, behauptete sie in der Hoffnung, ihn aus der Reserve zu locken. Stattdessen stand er auf und berührte sie mit der Hand an der Taille, ehe er in leisem Tonfall und mit einem Augenzwinkern wiederholte: „Sie finden's raus.“ Mit diesen Worten entfernte er sich vom Tresen und setzte sich zu ein paar anderen Männern, die offensichtlich zu ihm gehörten. Einige von ihnen wurden von Huren, die auf ihren Schößen saßen, langsam aber sicher um den Finger gewickelt, andere sahen finster drein und waren mit ihrem Alkohol allein offensichtlich glücklicher.
Eine merkwürdige Truppe, dachte sich Abby und konnte sich nun noch weniger einen Reim darauf machen, wer der Fremde war. Doch sie konnte es nicht leugnen, seine geheimnisvolle Art machte sie neugierig. Was meinte er damit, dass sie es herausfinden würde? Konnte er sie nach dieser kurzen Zeit so gut einschätzen, dass er zu wissen glaubte, dass sie darauf brennen würde, das Mysterium zu lüften? Wenn ja, hatte er gottverdammt Recht. Sie kämpfte noch mit sich, doch es dauerte nur wenige Minuten, ehe sie ihr Glas in die Hand nahm und zu der Gruppe Männer hinüberging. Einer solchen Herausforderung konnte sie schlichtweg nicht widerstehen. Konnte sie noch nie.
Der Fremde saß ein wenig abseits von den anderen auf einem großen Sessel, trotzdem schien Abby jeder anzustarren. Er machte eine halbherzige Geste, dass sie doch auf seinem Schoß Platz nehmen könnte wie die anderen Damen, doch sie sah ihm an, dass er es nicht ernst meinte. Während sie sich trotzig einen eigenen Stuhl nahm, lachte er leise.
„Schön, Sie wiederzusehen“, grinste er in seinen Sessel zurückgelehnt, während er wieder mit der einen Hand ganz langsam sein Glas auf dem Tisch drehte. Abigail erwiderte nichts.
„Vielleicht verraten Sie mir ja, wer Sie sind?“, hakte er nach.
Sie wollte schon antworten, da kam ihr eine Idee. Vielleicht war das die Chance? Weiß Gott, warum, doch er schien offensichtlich nicht zu wissen, wer sie war. Wieso sollte sie das ändern?
Sie lehnte sich verschwörerisch über den Tisch und wusste nur zu gut, dass ihre Brüste so wundervoll zur Geltung kamen. „Ich bezweifle, dass Ihr Verstand so scharf ist wie der meine, doch ich vergelte gerne Gleiches mit Gleichem. Sie sollen auch Ihre Chance haben, es ganz von alleine rauszufinden.“
Da war es wieder, dieses nonchalante, freche, schiefe Grinsen, bei dem sie nur hoffen konnte, dass es der Alkohol war, der dieses flatternde Gefühl in ihrem Bauch verursachte.
„Das scheint nur gerecht“, meinte er, „darf ich Sie stattdessen fragen, was eine hübsche, junge Lady, wie Sie es sind, in einem Saloon verloren hat?“
Mist, ihre Vergangenheit zu verbergen war schwerer als gedacht. „Wo bekommt man sonst wirklich guten Whiskey?“, konterte sie. Wie gut, dass es ihr nicht an Schlagfertigkeit fehlte. Warum fühlte sich das hier an wie das Spiel von Feuer und Wind? Das eine versuchte das andere zu überlisten, doch noch gewann keines die Oberhand.
„Ungewöhnlich für eine Dame, solch hartes Gesöff.“
Er gab nicht auf. Doch sie würde nicht klein beigeben: „Ungewöhnlich für einen Mann, einer Dame zu verschweigen, wie er seinen Lebensunterhalt verdient.“
Er verzog den Mund - ein Zeichen, dass er soeben akzeptierte, hier einen härteren Gegner als Gegenüber zu haben. Sie wurde den Verdacht nicht los, dass sich hier zwei Menschen gegenübersaßen, die beide etwas zu verbergen versuchten.
Abby hatte es nicht bemerkt, doch offensichtlich hatte er dem Kellner bedeutet, zwei weitere Gläser zu bringen. Puh, sie konnte nur hoffen, dass das auf seine Rechnung ging.
„Nun denn, Unbekannte.“
„Unbekannter.“
Sie stießen an und sie war sich sicher, dass er ihren Blick einen Moment zu lange fesselte, ehe sie tranken. Was tat sie hier eigentlich? Allmählich war sie sich nicht mehr so sicher, ob das hier eine gute Idee war. Sie unterhielt sich nun seit einigen Minuten mit diesem Mann und wusste noch immer genauso wenig wie zu Anfang - nämlich nichts. Er hatte eindeutig etwas zu verbergen und es wäre das Schlaueste, wenn sie das Weite suchte - doch ihr war überhaupt nicht danach. Und der Alkohol machte ihr das Gehen nicht gerade einfacher – im doppelten Sinne.
„Boss, wir machen uns auf den Weg.“ Drei der Männer standen auf - die anderen beiden würden allem Anschein nach mit ihren Auserwählten hier nächtigen.
„Wir kommen mit“, sagte ihre fremde Bekanntschaft und erhob sich ebenfalls und zog sich sein Jackett an. Er hielt ihr den Arm hin. Boss? Und wer wir? Meinte er sie? Wohin machten sie sich auf den Weg?
„Würden Sie mich begleiten?“
Abby wollte verneinen, doch ihr wurde schnell klar, dass das hier möglicherweise ihre einzige Chance war. Wenn er ging, saß sie hier mit einer Rechnung, die sie nicht bezahlen konnte und würde irgendwann vor die Tür geworfen werden, ohne Dach über dem Kopf. Über ihn wusste sie nichts, und sie war sich auch noch immer nicht sicher, was für ein Mann er war. Doch in Anbetracht ihrer Umstände befand sie, dass sie hiermit entweder die dümmste oder die beste Entscheidung ihres Lebens traf.
Nicht ohne kritischen Blick hakte sie sich bei ihm ein und folgte ihm nach draußen. Der gestärkte Stoff seines Hemdes rieb an der Haut ihres Armes und die Nähe zu ihm erweckte eine wohlige und zugleich beängstigende Unruhe in ihr. Die Männer schwangen sich auf die wartenden Pferde. Der Fremde löste sich von ihr, stieg ebenfalls auf einen großen Rappen und hielt ihr die Hand entgegen. Im letzten Moment befiel sie doch die Angst.
„Wo reitet ihr hin?“
„Nach Hause.“
„Wo ist das?“
„Vertrau mir, du bist hier in Sicherheit.“ Na toll, das hieß wohl so viel wie „ich kann dir die Frage leider nicht beantworten, weil ich ein Verbrecher bin.“ Und seit wann hatten sie überhaupt zum „Du“ gewechselt? Versuchte er Vertrautheit zu schaffen?
Abigail holte tief Luft. Letzte Chance. Zur Hölle, wenn sie nicht aufstieg würde sie nie erfahren, ob es die dümmste oder beste Entscheidung gewesen wäre! Es war nicht das erste Mal im Leben, dass sie etwas wagte. Man konnte gewinnen oder verlieren. Ein wenig Draufgängertum braucht man in diesen Zeiten um weiterzukommen.
Sie ergriff seine Hand, stellte ihren Fuß in den Steigbügel und schwang sich hinter dem Sattel aufs Pferd. Es war besiegelt! Sogleich galoppierten sie aus dem Stand los und sie hatte gerade noch Zeit, ihre Arme um seine Taille zu schlingen, ehe sie abgerutscht wäre.
Sie ritten eine ganze Weile von der Stadt weg. Für Abbys Geschmack allmählich zu weit, denn sie umgab schon lange nichts mehr als endlose Pampa. Die Männer sahen nicht wie Farmer oder Rancher aus, und das wären die einzigen Menschen, die weitab von den Städten wohnten.
Immer stärker beschlich sie ein ungutes Gefühl und je mehr sie an ihrer Entscheidung aufzusteigen zweifelte, desto mehr Panik bekam sie. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, fragte sie sich jetzt? Wieso neigte sie ständig zu solchen Schnellschüssen? Hätten dieser Fremde und der Alkohol ihr nicht so die Sinne benebelt, wäre ihr vielleicht schon früher klar geworden, dass alle Indizien gegen ihn sprachen. Da halfen selbst die verheißungsvollen Bauchmuskeln nichts, die sie unter dem Stoff seiner Kleidung spüren konnte.
„Ich will absteigen!“, schrie sie über das Trommeln der Hufe auf dem harten, trockenen Boden hinweg.
Der Fremde wandte sich nicht zu ihr um und rief lediglich zurück: „Tun Sie sich keinen Zwang an!“
Das mit dem Duzen war offensichtlich auch bereits wieder Geschichte. Ihr war sofort klar, dass er nicht anhalten würde, um sie absteigen zu lassen. Abigail sah den Boden unter sich dahinfliegen und warf einen Blick zurück. Die Stadt war ein ferner Punkt am Horizont. Sie würde die halbe, wenn nicht die ganze, Nacht durchlaufen müssen, um dorthin zurückzukehren. Wenn sie sich vom Pferd fallen ließ, konnte sie mit viel Glück mit ein paar Schrammen davonkommen, doch angesichts der vielen größeren und kleineren Steine am Boden waren Brüche und schwerere Verletzungen wahrscheinlicher. Verdammt! Dieser Mistkerl!
Während sie sich weiter und weiter aus der Sicherheit der Stadt entfernten, gab Abby es irgendwann auf, fiebrig nach einem Ausweg aus ihrer Lage zu suchen. Sie würde nicht von diesem Pferd kommen, solange es nicht langsamer wurde. Der Fremde saß vor ihr wie ein unüberwindbarer Schrank, sie würde schon allein beim Versuch scheitern, an ihm vorbei an die Zügel zu gelangen. Es war aussichtslos! Sie resignierte und ließ es geschehen. Wenn das meine letzten Stunden sind, dann will ich zumindest versuchen sie zu genießen, dachte sie sich.
Nach einer gefühlten Ewigkeit waren sie schließlich in tiefschwarze Nacht gehüllt. Wie Geister glitten sie durch die Dunkelheit. Abby sah hinauf zum Himmel, wo ein Stern nach dem anderen aufleuchtete. Der Mond war nur zur Hälfte gefüllt und bildete eine lausige Lichtquelle. Auch wenn sie gegen die Angst kämpfte und sich für ihre Dummheit verfluchte, kam sie nicht umhin, die magische Stille und Schönheit der Prärie zu bewundern. Das Hufgetrappel übertönte jeglichen anderen Laut und wirkte wie ein Störenfried in der Ruhe, die über dem Land lag. Am Horizont war der Unterschied zwischen Erde und Himmel kaum mehr auszumachen und es wurde spürbar kälter.
„Woah“, hörte sie den Fremden leise zu seinem Pferd sagen und das Tier fiel in eine langsamere Gangart.
Schnell dachte sie darüber nach, abzuspringen. Wenn, dann jetzt! Doch was tat sie dann, ganz allein in der Wildnis? Sie wäre verloren und würde ewig zurück zur Stadt brauchen. Und die Männer - oder noch schlimmere Gestalten - hätten sie wahrscheinlich noch schneller wieder eingefangen als sie sich umsehen konnte. Sie hatte diese Karte gezogen und würde nun schlichtweg damit spielen müssen. Sie hoffte, dass sie diese Nacht irgendwie unbeschadet überstand. Wenn sie nur lebend wieder herauskam!
Die Pferde trotteten zielsicher verschlungene Wege zwischen riesigen Felsbrocken entlang und führten sie immer weiter und weiter in ein regelrechtes Labyrinth hinein. Nach viel zu langer Zeit erst - sie würde hier dank der Dunkelheit wahrscheinlich nie wieder herausfinden - tat sich plötzlich eine Art Lichtung auf, auf der sich mehrere Gebäude befanden. Ein Versteck, schoss es ihr durch den Kopf. Pflanzen oder Rinder züchten konnte man auf diesem Steinboden sicher nicht, was sollte es also sonst sein?
Annähernd der Linie eines Halbkreises folgend, standen mehrere Holzhütten um das offensichtliche Zentrum dieses Ortes gereiht: Ein belebter Lagerfeuerplatz. Einige Baumstümpfe standen und lagen herum, welche wahrscheinlich als Sitzgelegenheiten genutzt wurden. Zur Rechten befanden sich Pferche für die Pferde, mehr gab dieser geheime Fleck, der soweit ersichtlich ringsum von Felsen eingeschlossen war, im Moment noch nicht von sich preis. Dem Ganzen mutete eine heimelige Stimmung an, ein Platz, um zur Ruhe zu kommen, die sie jedoch im Augenblick weder spüren noch akzeptieren konnte.
Abigail zitterte. Die anderen beiden Männer waren bereits abgesessen und drückten die Zügel ihrer Reittiere einer älteren Frau in die Hand, die, nach Abbys Meinung, um diese Uhrzeit längst im Bett hätte sein sollen. Die Männer zerrten die Sättel von den Pferden und verschwanden. Nun, zumindest sah es nicht so aus, als würden sie alle gemeinsam über sie herfallen…
Ihr fremder Begleiter schwang sein Bein über den Hals des Rappen und sprang auf den Boden. Er sah zu ihr auf und hielt ihr die Hand hin. Im fahlen Mondschein glitzerten seine pechschwarzen Augen noch gefährlicher als zuvor.
„Es freut mich, dass Sie noch bei uns sind. Darf ich bitten?“
Abby schnaubte und sprang eigenhändig vom Rücken des Tieres. Seine Art passte nicht zu einem Verbrecher. Er hatte hier jetzt keinen Grund mehr nett zu ihr zu sein, wozu die Etikette? Er grinste und strich seinem Pferd liebevoll über den Kopf. Dieses senkte die Stirn und genoss die Streicheleinheiten. Der Mund des Fremden verzog sich zu einem Lächeln, ehe er den Hals des Tieres klopfte und ihm den Sattel abnahm.
Die ältere Frau hatte die anderen drei Pferde bereits in einen umzäunten Bereich gebracht und nahm nun auch die Zügel des Schwarzen in die Hand. Der Fremde hielt sie auf, fasste sie an den Schultern und küsste sie mit einer berührenden Herzlichkeit links und rechts auf die Wange, ehe er sie gehen ließ. Wer war sie? Seine Mutter? Und was tat sie hier? Was war das hier überhaupt für ein Ort? Je mehr sie von diesem Mann erfuhr, desto verworrener wurde es! Rätsel über Rätsel!
Die anderen Männer hatten in der Zwischenzeit ein Lagerfeuer entfacht und offensichtlich noch nicht vor, sich schlafen zu legen. Ihr Begleiter ging zu ihnen und setzte sich auf einen der abgesägten Baumstämme, die ihnen als Sitzgelegenheiten dienten. Er winkte sie zu sich. Zaghaft wollte sich Abby nähern, als sie bei einem langen, geisterhaften Laut zusammenfuhr.
„Nur ein Coyote. Keine Angst, die kommen hier nur selten zu Besuch.“ Jack grinste sie an und Abby riss sich zusammen, fühlte sich nach dem Schrecken allerdings nicht gerade wohler in ihrer Haut.
Sie fragte sich, was das hier sollte? Wollte er mit ihr ein Pläuschchen am Lagerfeuer halten? Sie hatte mit vielem gerechnet, doch nicht mit dem, was sich hier gerade abspielte. Sie erwartete jederzeit, dass einer der Männer auf sie losging. Doch die anderen drei schienen sie nicht zu beachten und waren in ein Gespräch vertieft.
Abby nahm Platz und versuchte ihre zitternden Hände in ihrem Schoß zu verbergen. Kaum hatte sie sich gesetzt, stand der Fremde auf und beinahe wäre sie vor Schreck von ihrem Platz gefallen. Jetzt ist es so weit, dachte sie sich. Seelenruhig zog er sich sein Jackett aus und sie sah ihn mit großen, runden Augen an.
Er warf ihr das Kleidungsstück um die Schultern und setzte sich mit einem Lächeln wieder. „Ist kalt hier draußen.“
Erst jetzt bemerkte sie, dass sie die Luft angehalten hatte und atmete nun langsam wieder aus. Angestrengt versuchte sie, die verkrampften Muskeln in ihrem Körper zu entspannen.
„Hören Sie auf, Angst zu haben. Ich weiß, dass Sie nicht nur vor Kälte zittern. Ich bin Jack - das sind Tom, Bill und Francis. Keiner wird Ihnen hier was tun, solange ich da bin.“ Er schenkte ihr ein ermutigendes Lächeln.
Abby beäugte die anderen drei, die wild diskutierten.
„Der Blick des Marshalls war göttlich!“, rief der Linke von ihnen. Er war ein Schrank von einem Mann und sah nicht gerade freundlich aus. Tom, hatte Jack ihn genannt.
In der Mitte saß ein hagerer Kerl, Francis, mit viel zu langen Beinen, der kaum zu Wort kam und immer wieder den Kopf schüttelte, von den anderen beiden aber völlig ignoriert wurde. „Gut, dass Jack das mit seiner Geliebten herausgefunden hat. Wir sind zwar in der Überzahl, aber er könnte sich Verstärkung beschaffen, wenn er wollte.“
Rechts saß Bill, ein großer Mann mit schwarzen Haaren und gepflegtem Schnurbart, dem anzusehen war, dass es ihm nicht an Selbstsicherheit fehlte. Er glich fast einem der reichen Europäer, die es mehr und mehr in ihre Gegend verschlug. „In einem Raum mit dem Feind zu sitzen, ohne, dass dieser etwas unternehmen kann, ist eine verdammte Genugtuung!“
Dann fiel Abbys Blick auf Jack, den Boss.
Sie kniff die Augen zusammen und hielt ihm die Hand hin: „Abigail.“ Sein Händedruck fühlte sich kräftig an, so, als könnte er ihre kleine Hand ohne eine Miene zu verziehen zerquetschen. Die Haut war rau, was abermals bestätigte, dass er sein Geld wohl nicht hinter einem Schreibtisch verdiente. Da alle um sie herum völlig entspannt waren, beruhigte sich auch Abigails Herzschlag allmählich wieder.
„Was ist das hier?“, fragte sie und hoffte, nun endlich Klarheit über ihren Aufenthaltsort zu erlangen.
Jack grinste süffisant, nicht ohne eine Spur von Stolz: „Das hier, junge Lady, ist das Versteck der Cunningham-Bande.“
„Also seid ihr Banditen“, stellte sie ernüchtert fest.
„Ihr scharfer Verstand scheint Sie noch nicht verlassen zu haben“, neckte er sie.
Banditen, dachte sie, Leute, die ihr Geld mit stehlen verdienen. Bisher hatte sie sich weitestgehend von kriminellen Machenschaften fern gehalten, doch so wie es aussah, saß sie jetzt mitten in einer drin.
„Cunningham! Jack Cunningham! Jetzt fällt es mir wieder ein, ich habe Euren Steckbrief gesehen! Daher kamt Ihr mir so bekannt vor!“
„Jawohl, Miss“, grinste er, offensichtlich stolz darauf.
Allmählich ergaben die Puzzleteile einen Sinn. Sie waren gewöhnliche Banditen, die bisher durch die ein oder andere größere Aktion aufgefallen waren. Man konnte fast sagen, sie waren ein wenig berühmt - oder wohl eher berüchtigt.
Abby lebte zwar ein armes, schäbiges Leben, doch es gab einige Grundsätze, die für sie unumstößlich waren. Ganz oben auf dieser Liste stand Gerechtigkeit - sie konnte zwar nicht die Welt verändern, doch in ihrem eigenen Umfeld konnte sie es zumindest versuchen. Und Stehlen war vielleicht lukrativ, aber nicht gerecht. Sie erinnerte sich noch, wie sie mit einer der Huren im Bordell gesprochen hatte, die für die Cunningham-Bande schwärmte und davon träumte, einmal einen der Banditen zu heiraten. Für Abby völlig absurde Schwärmerei. Sie hatte ihr erzählt, dass diese Bande noch nie von den Armen gestohlen hatte, nur von denen, die ohnehin zu viel hatten. Je nachdem wie man es betrachtete, war dies auch eine Art und Weise, für Gerechtigkeit zu sorgen. Wobei sie diesem Gerücht nicht wirklich Glauben schenkte. Zumindest verabscheute sie die vier Männer hier und jetzt nicht sofort für ihr Handwerk. Es war ja nicht unbedingt so, als hätte sie selbst nicht schon den ein oder anderen langen Finger bewiesen. Oh je, ihr schwante, dass sie bereits nach einer Rechtfertigung für all das hier suchte…
„Warum erzählt Ihr mir das alles jetzt? Ihr hättet es mir schon im Saloon sagen können. Was macht das für einen Unterschied?“
„Der Unterschied, Miss, ist, hätte ich es Euch im Saloon gesagt, dass wir Banditen sind, wärt ihr sicher nicht mit mir hierhergekommen und das wollte ich auf keinen Fall. Hinzu kommt, dass Ihr hier nie wieder alleine raus und ergo auch nie wieder alleine rein finden werdet. Ein Versteck soll auch ein solches bleiben, nicht wahr?“
Beinahe hätte sie gesagt, dass sie in ihrer Verzweiflung womöglich sogar wissentlich hinter einem Banditen aufs Pferd gestiegen wäre, doch sie verkniff es sich.
Abby hatte einen hervorragenden Orientierungssinn, doch aus diesem Gewirr an Gängen, die sie nur bei Dunkelheit gesehen hatte, wieder herauszufinden, wäre tatsächlich schier unmöglich.
„Darf ich Ihnen noch einen zweiten Whiskey einschenken? Der zweite Drink im Saloon geht ja leider auf Ihre Rechnung, ich durfte Ihnen ja nur einen ausgeben.“
Abermals hasste sie sich für ihr loses Mundwerk. Hätte sie ihn nicht einfach bezahlen lassen können? Es war nicht viel, doch selbst diese mickrigen Schulden im Saloon würde sie nicht bezahlen können.
„Gerne“, sagte sie mit trockener Stimme.
Er gab ihr ein Glas, in das er zuvor eine großzügige Portion Whiskey gegossen hatte, und grinste.
„Abigail.“
Sie verdrehte die Augen.
„Jack.“
Sie kippte den gesamten Inhalt des Glases auf einen Satz hinunter - Gott, das brauchte sie jetzt nach all dem Chaos. Wärme stieg ihr in die Wangen und mit einem wohligen Lächeln hielt sie ihm ihr Glas entgegen, welches er abermals füllte. Sie würde hier heute wahrscheinlich doch nicht sterben!
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